Irgendwann ist Schluß mit lustig!
Interventionen in
Werbung
Werkstatt & Ausstellung im Kunstverein arttransponder (21.10.07 - 9.11.07)
arttransponder, Brunnenstrasse 151, 10115 Berlin




Ankündigungstext: Deutschland hat derzeit eine besondere Vorliebe für diskriminierende Werbekampagnen. Widerstand dagegen gibt es kaum, Kritik wird nicht öffentlich verhandelt.


Nanna Lüth (Berlin) und Wiebke Trunk (Stuttgart) stellen Projekte vor, die per Video, Fotografie, Text und Sounds queere/feministische/postkoloniale Einsprüche formulieren.

Das Projekt "Irgendwann ist Schluss mit lustig!" antwortet so auf (hetero)sexistische, rassistische, aber auch normalisierende Tendenzen in aktuellen Werbebildern.

Neben der Präsentation altbekannter herabsetzender Klischees sind die visuelle Ausbeutung und Vermarktung des vermeintlich normal gewordenen "Anderen" alltäglich geworden. Ein Beispiel für solche Werbestrategien ist die "Irgendwann nimmt man nicht mehr irgendwas" -Kampagne (2005) einer bekannten deutschen Fernsehzeitschrift, bei der Paare wie Mops und Katze, zwei junge Frauen, die sich küssen, und ein Weißer* Mann im Anzug, auf dessen Schoß eine Schwarze* exotisierte Frau sitzt, mit einem "Augenzwinkern" als Bild für "ganz besondere" Menschen mit hohen Qualitätsansprüchen präsentiert wurden. Besonders um das letztgenannte Motiv gab es eine kritische Debatte und Beschwerden beim Werberat, der sich jedoch auf die Meinungsfreiheit in der Werbung berief und keine offizielle Rüge aussprach.

Kernzielgruppe dieser Kampagne ist die sogenannte "Winning Generation": d.h. "besser gebildete Erwachsene mit überdurchschnittlichem Einkommen. Menschen, die wählerisch sind und sich immer für das Bessere entscheiden" (können). So beschränkt sich die ausgestellte "Toleranz gegenüber Besonderen" sehr deutlich auf einkommensstarke Mitglieder einer gehobenen Klasse.

Mit Beiträgen von Hella Böhm, Sophie Eliot & Verena Rodatus, Carsten Horn, Ins A Kromminga, Christine Lohr, Barbara Loreck, Waltraud M. Weiland, Frank Werner (Berlin); Andrea Lühmann, Doris Mosbach (Bremen); Marie Vermeiren (Brüssel); Jeanine Oleson (New York); Esky Bail, Adrienne Braun (Stuttgart) u.a. Dokumentationsfotos: Andrea Lühmann

Begleitend zur Ausstellung führte Nanna Lüth in der Carl-Kraemer-Grundschule (Wedding) ein Projekt zum Thema Werbung durch.


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["Schwarz" und "Weiß"] sind politische Begriffe, die darauf abzielen, auf die soziopolitischen Folgen und historischen Verantwortlichkeiten hinzuweisen. Dabei ist "Schwarze" die politische Bezeichnung für all diejenigen, die zu Objekten des Rassismus konstruiert werden; Weiße agieren als Subjekte rassistischer Prozesse und [als] Akteure und Akteurinnen rassistischer Handlungen. Um deutlich zu machen, dass es sich bei Schwarzen und Weißen um Konstrukte des Rassismus handelt und nicht um biologisch klassifizierbare Gruppen, werden "Schwarz" und "Weiß" auch in adjektivischer Verwendung groß geschrieben. Dies geschieht vor dem Hintergrund, markieren zu wollen, dass Rassismus Weiße wie Schwarze konstruiert hat und Weiß-Sein damit eine kulturelle und politische Implikation und Wirkkraft hat, die unabhängig davon besteht, ob Weiße Individuen sich dieser bewußt sind oder nicht. Aus: Susan Arndt und Antje Hornscheidt (Hg.) Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Münster 2004, S 13.